[Einleitung]
„Chernobyl“ gehörte in der jüngsten Vergangenheit – wahrscheinlich auch durch gutes Marketing bedingt – in vieler Munde. Auf der Internet Movie Database (IMDb) findet man sie höchsten Punktebereich. Was steckte dahinter? Ich sah mir die TV-Serie in der „normalen“ Fassung bereits an, hier der Review auf dvdcheck.de vom 28.08.2019. Mit diesem Artikel widme ich mich der limitierten Mediabook-Edition. Mediabooks sind recht en-vogue und so fand unter dem Label von polyband auch die durch Sky/HBO produzierte TV-Serie „Chernobyl“ ihren Weg auf dieses frische Blu-ray Disc Produkt. Wir sehen Jared Harris, Emily Watson, Paul Ritter, Jessie Buckley, Adam Nagaitis und Stellan Skarsgård.
[aartikel]B07TMRR9XJ:left[/aartikel][Kommentar]
Dieses gesamte Thema, die Umstände, die eigenen Erinnerungen an diese Zeit – all das macht diese TV Serie mit Sicherheit für viele interessant. Bei mir ist es aber auch so, dass es der Umgang des Menschen mit der Katastrophe ist, der mich sehr fasziniert. Denn wir handeln nicht rational und stellen auch nicht das Wohl der eigenen Spezies auf individueller Ebene heraus oder handeln danach. Diese so menschlichen Abläufe und Verhaltensweisen vor dem Hintergrund eines politischen Systems, in dem man nun einmal lebt, erzeugt wahrlich zweifelhafte Entscheidungen. Vor allem dann, wenn der eingetretene Umstand – hier eine atomare Katastrophe – schlichtweg nicht vorgesehen war.
Nun jedoch an dieser Stelle mein Kommentar vom vom 28. August 2019, also vor knapp einem Monat verfasst: Es ist ein bisschen wie bei der Titanic. Der Filmemacher muss davon ausgehen, dass nunmal jeder weiß, dass die Titanic untergeht. Hier ist es ähnlich. Eine Geschichte über Tschernobyl, wir alle wissen, dass das Kraftwerk explodiert ist. Und uns damit die schlimmste Atom-Katastrophe bislang bescherte. Auch nach 2011, nach Fukushima in Japan explodierte. Zustandegebracht durch Miss-Management, Inkompetent, technische Konstruktionsfehler und dem unnötig aufgeblähten, langsamen und überbürokratisierten System der Apparatschik. Ein Versagen auf ganzer Linie, welches ganz offensichtlich auch so gut es geht vertuscht werden sollte. Ein Stoff, aus dem nun eine Mini-Serie in fünf Teilen entstand.
„Die Serie, von der die ganze Welt spricht!“. In der Tat hatte ich davon gehört, auch etwas gelesen und mich sogar mit einem Kollegen aus den USA darüber unterhalten, der sehr positiv über die Serie berichtete. Nun konnte ich alle fünf Episoden – ich denke fallabschließend sozusagen – anschauen und mir eine Meinung bilden. Über fünf Episoden schildert die Serie die Tragödie an sich, den GAU (größter anzunehmender Unfall), die Eindämmungsarbeiten an der Havarie, die politischen Herausforderungen im Sowjetsystem und die Auswirkungen auf die Bevölkerung und all die Menschen, die bis heute daran arbeiten, dass die gröbsten Probleme in den Griff bekommen werden und dies auch bleiben.Inhaltlich recht sauber in die einzelnen Episoden getrennt fällt es nicht schwer dem gezeigten zu folgen. Ob es der Beginn aus der Sicht des Personals im Kontrollraum ist, die anrückende Feuerwehr, die Bergbauer oder natürlich das Militär und der Staatsapparat der untergegangenen Sowjetunion – alle bekommen hier ihre Momente und sind zweifelsfrei Bestandteil dieses Dramas auf allen Ebenen. Geschildert wird das Geschehen aus der Beobachtung der beiden Hauptfiguren hier vor Ort bei den Arbeiten unmittelbar nach dem Störfall: Valery Legasov und Boris Shcherbina. Beide Darsteller, Jared Harris als Legasov sowie Stellan Skarsgård als Parteifunktionär und Energieminister Shcherbina, leisten ausgesprochen gute, überzeugende Arbeit.
Die gesamte Darstellung der Apparatschik in ihrem System gelang gut, nicht überzeichnet und doch so, dass einem Zuschauer durchaus die Herausforderungen dieses System einleuchten können. Mein Gedanke war: wie finster. Mit dem heutigen Wissen zu sehen, wie es sich damals abgespielt haben könnte ist beeindruckend, beängstigend und erschreckend zugleich. Zu wissen, dass Valery Legasov zwei Jahre später auf den Tag genau Selbstmord begeht, bedrückend. Heute ranken sich natürlich auch viele Spekulationen um das Thema, wohlwissend, dass die ehemalige Sowjetunion stets gut im Vertuschen war: diese Katastrophe war zu großen Ausmaßes und zeigt uns westeuropäisch orientiert denkenden Menschen, wie viel Wert ein Menschenleben doch wert ist bei unseren Freunden im Osten.
Ich frage mich, ob die dort damals beschäftigten Menschen wussten, was für Gefahren Atomkraft im Risikofall bedeuten kann. Hier macht es nicht immer den Eindruck bei den handelnden Personen. Leichtsinn? Unwissenheit? Besonders ist auch die Darstellung der Prozessführung gegen die sogenannten Schuldigen. Man bekommt zuweilen den Eindruck vermittelt, als wären das alles Menschen, die lediglich ein Ziel verfolgen: das Abwälzen der Schuld auf andere. Dabei gilt es nun einen langen Krieg gegen die Strahlung durchzustehen. Eindämmung ist der einzige Weg. Nicht die Informationen, wie der Russe es tat, sondern die Strahlung.
Handwerklich ist die Serie wirklich guter Qualität. Stilsicher gedreht versetzt man uns in das eher schlichte, wenig optisch ansprechend gedrehtes Umfeld mit 70er Jahre Ostblock-Flair. Alles wirkte sehr authentisch auf mich. Und die unsichtbare, kaum wahrnehmbare und todbringende Strahlung ist ebenfalls gut in Szene gesetzt. Man achtet darauf, wenn Leute essen oder der Wind weht – klar, der aufgeklärte Mensch versteht diese Symbole heute schnell. Damals waren die Menschen weniger aufgeklärt. Man möchte hin und wieder am liebsten dazwischen schreien „lauft weg, verlasst die Stadt sofort“! Geht nicht.
Was macht nun neben dem Thema die Serie interessant? Dieses Thema sollte reichen als Interessenspender. Die Machart, die Wirkung von Bild und Ton, die schauspielerischen Leistungen. Und die traurigen Geschichten um dieses gigantische Drama unfassbaren Ausmaßes, dass bis heute und noch viel länger nachwirken wird. Es gibt hier oftmals durchdacht erscheinende Bilder. Der hektisch und auf dem Sprung ausgedrückte Zigarettenstummel in einem der typischen 70er Jahre Glas-Aschenbecher: er hellt unerwartet nochmal kurz auf, um dann zart schwelend weiter zu glimmen, bis zur nächsten Szene. Die Message ist klar. Dieses Problem ist nicht auf kurze sich „auszudrücken“.
Soundtrack und Music-Score sind spitze, atmosphärisch dicht und Unbehagen dann unterstreichend, wenn es drauf ankommt. Diese Melange schafft eines, was nicht viele Serien oder Filme schaffen wollen: am Ende ist es einem peinlich, ja man schämt sich gar etwas dafür ein Mensch zu sein.
[Technik]
Bei der technischen Abbildung verhält es sich anders als Ende August. Denn nun lag mir das finale Produkt vor. Die in Full HD abgetasteten 1080p-Aufnahmen entsprechen in der Formatierung einem 2:1-Format – ungewöhnlich und dem Ziel, die Zeit gefühlt etwas zurück zu drehen, sehr zuträglich. Ohnehin kommen viele zeitgenössische Faktoren gut zur Geltung, schlechte Bild-Qualität davon ausgenommen. Abseits der Farbgebung, dem Kontrast und der Detailzeichnung gibt es kaum etwas, das für negative Kritik sorgen kann. Klar, hier und dort mehr Kantenschärfe, doch über alle Episoden und Szenerien der Ausleuchtung hinweg, gelang ein wirklich gelungenes, optisches Antlitz. Die Kompression arbeitet unauffällig und die Bildruhe gefiel mir gut.
Entgegen meiner Test-Verkostung gab es nun auf diesen Blu-ray Discs einen Surround-Sound aus den DTS Studios, und war mit 5.1 Kanälen in HD. Angesichts des Materials – einer Serie – ist das schon einmal prima, zumindest in der Theorie. Praktisch erweist sich der mit gelungener Weite ausgestattete Sound als unheimlich wirkungsvoll. Die Stimmung entsteht vor allem durch oftmals recht kontinuierliche, tiefe Töne, die einem stets dann auffallen, wenn es irgendwie in die unmittelbare Nähe der Katastrophe geht. Der Ton unterstreicht die ohnehin schon betrübenden Bilder durch seine hohe Treffsicherheit. Effekte-Feuerwerke gibt es nicht, dafür jedoch ein wunderbares Zusammenspiel aus Musik und Rest.
[Fazit]
„Chernobyl“ war für mich schon bei der ersten Ansicht der polyband-Streaming Links eine ganz große, positive Überraschung. Ja, ich hatte gelesen, dass ein positives Medien-Echo die Veröffentlichung begleiten wird. Doch nachdem ich mich selbst überzeugen konnte, muss und will ich dies unterstreichen. Das ordentlich wirkende, steife und mit einem guten Cover ausgestattete Mediabook hat innere Werte. Dazu gehört nicht nur die ab 16 Jahren freigegebene TV-Serie mit ihren fünf Episoden und 312 Minuten, sondern auch ein hübsch gemachtes, gut bebildertes und informatives Booklet (18 Seiten festes Glanzpapier) zwischen den beiden Discs – das war es denn aber auch schon. Das gute Stück ist limitiert, die Stückzahl ist mir nicht bekannt. Absolut eine Empfehlung!
Andre Schnack, 25.09.2019
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